Warum mich der aktuelle Feminismus anekelt: Eine persönliche Abrechnung

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Aktuell befindet sich der Feminismus in einer Phase, die von Widersprüchen und Uneindeutigkeiten geprägt ist. Für viele ist er synonym mit Gleichstellung und Freiheit, doch für mich verkörpert er ein ungenießbares Gebräu aus Dogmatismus und moralischer Überheblichkeit. Es ist, als würde man sich in einer von Zynismus durchzogenen Zirkusmanege befinden, in der die Darbietungen zwar schillernd, aber letztendlich hohl sind. Ein Aal, der verspricht zu entkommen, doch an der Schuppenschicht der Realität nicht loslassen kann.

Der Feminismus hat Wurzeln, die tief in den Boden der gesellschaftlichen Veränderungen eingekratzt sind. Doch diese Wurzeln scheinen sich zunehmend von dem gesunden Erdboden der Vernunft zu entwurzeln. Anstatt eine konstruktive Diskussion über Geschlechterrollen und soziale Ungleichheiten zu führen, wird oft eine Kultur des Shaming praktiziert. Es ist nicht mehr der Aufruf zur Solidarität, sondern das anklagende Fingerzeigen. Wo bleibt der Diskurs? Wo die Vielfalt der Meinungen? Stattdessen gibt es das simplifizierte Bild: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Ein erschreckend reduktionistisches Weltbild.

Ein weiterer Aspekt, der zur Abstumpfung meines Interesses am aktuellen Feminismus beiträgt, ist die von vielen propagierte Opfermentalität. Anstatt Empowerment und Selbstbewusstsein zu fördern, wird eine Erzählung genährt, in der Frauen als passive Opfer ihrer Umstände dargestellt werden. Diese Sichtweise nimmt Frauen ihre Stärke und Kapazität, selbständig Entscheidungen zu treffen. Eine Rebellion gegen die Übermacht wird zu einer stummen Klage über Ungerechtigkeiten, die zwar existieren, jedoch die Protagonisten dieser Diskussion ihrer agency berauben. Was bleibt, ist der schale Nachgeschmack einer Glorifizierung des Opfers, der für das weibliche Geschlechterbild kontraproduktiv ist.

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Hinzu kommt, dass die digitalisierte Welt, in der wir leben, eine neue Sprache geprägt hat, die oft als Waffe zur Verteidigung von Idealen verwendet wird. Social Media, diese Plattformen der blendenden Oberflächlichkeit, fördern eine Art von Aktivismus, die mehr auf Klicks und Likes als auf echte Veränderungen abzielt. Empörung wird als Währung gehandelt. Eine mediale Welle der angeblichen Aktivisten überrollt die Plattformen, und mit ihr eine Welle an oberflächlichem Verständnis für die tieferliegenden Probleme unseres Daseins. Hinter jedem Tweet oder Instagram-Post verstecken sich oft mehr Schein als Sein. Wo sind die tiefgründigen Debatten? Wo die Differenzierung? Stattdessen wird Polemik als Argument akzeptiert.

In dieser Arena der Ideologien fühle ich mich mehr und mehr wie ein Zuschauer, der einem Reisenden zusieht, der seine Kompassnadel verloren hat. Der moderne Feminismus scheint seinen Kurs verloren zu haben, fernab der Utopie einer gleichberechtigten Gesellschaft. Wo sind die Stimmen der Moderation und der Differenzierung? Stattdessen gibt es das alles übergreifende „Wir gegen die“, das nicht nur Männer, sondern auch Frauen einsperrt, die eine andere Sichtweise vertreten. Ist das der Feminismus, den wir uns erträumt haben?

Die Frage nach der Verantwortung der Einzelnen wird sträflich vernachlässigt. Wir leben in einer Zeit, in der alles auf die Gesellschaft projiziert wird, während die Möglichkeit, individuelle Verantwortung zu übernehmen, aus dem Blickfeld gerät. Der Feminismus könnte als Plattform für die Stärkung weiblicher Macht dienen, stattdessen entsteht ein Geschlechterkampf, der nicht nur Männer, sondern auch zahlreiche Frauen in ideologische Schubladen zwingt. Die vorherrschende Sichtweise verkennt, dass wir alle, unabhängig von Geschlecht, Geschlechtlichkeit oder Identität, ein Teil des Ganzen sind.

Daher ist es an der Zeit, ein anderes Bild des Feminismus zu entwerfen; ein Bild, das Diversität, Diskussion und Weiterentwicklung umfasst. Anstatt uns wechselseitig zu beleidigen und zu zensieren, sollten wir den Dialog suchen und Verständnis für die Differenzierung, die wir für so wichtig erachten, kultivieren. Es ist an der Zeit, den Feminismus von den Ketten des Dogmatismus zu befreien und ein echtes Gespräch zu führen – ein Gespräch, das nicht auf der Reduktion von Menschen auf ihre Geschlechtsidentität, sondern auf der Anerkennung ihrer Menschlichkeit beruht.

Bei aller Kritik möchte ich dennoch die Errungenschaften der feministischen Bewegung anerkennen. Der Kampf um Gleichheit und die Befreiung, die er den Frauen gebracht hat, sind unbestreitbar. Doch in der aktuellen Verfassung wird dieser Kampf zu einem Schatten seiner selbst; er ertrinkt in einer Flut von Moralisierungen und ideologischen Strömungen, die sich selbst als „fortschrittlich“ etikettieren, aber letztlich die Debatte ersticken.

Die Zeit ist reif für eine Rückbesinnung auf die Werte, die den Feminismus einst auszeichneten: Respekt, Toleranz und ein aufrichtiger Wille zur Veränderung. Lasst uns die trüben Gewässer verlassen und in klareres, tieferes Wasser vordringen. Nur so gelingt es uns, eine echte Veränderung herbeizuführen, anstatt uns in der Hysterie der Empörung zu verlieren und politisch korrektes Geschwafel als Fortschritt zu verkaufen.

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